Die in diesem Jahr stattfindende Wahl des Europäischen Parlaments sowie die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg rücken unaufhaltsam in „greifbare Nähe“.
Alle Parteien sind in den nächsten Wochen damit beschäftigt, den Wahlkampf und die damit verbundenen Auftritte zu planen. Es geht darum, die Stammwähler*innen zu motivieren, Wechselwähler:*innen zu gewinnen und Nichtwähler*innen zu aktivieren.
Mit dabei ist auch die „Alternative für Deutschland“ (AfD), deren Landesverbände unter anderem in Sachsen und Thüringen durch den Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft sind.
Des Weiteren befindet sich der Landesverband Brandenburg als „rechtsextremer Verdachtsfall“ ebenfalls unter Beobachtung durch die Behörde zur Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Es wird daher sehr interessant zu beobachten, ob sich die bisherigen Umfragewerte auch in den Wahlergebnissen abbilden. Falls sich dies bewahrheiten sollte, besteht eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit, dass rechtsextreme Parteien an der Regierungsbildung auf Landesebene beteiligt sind.
Dieses Ziel hat neben der AfD auch das als rechtsextremistisch eingestufte Magazin Compact fest im Blick.
Unter dem Motto „Die Blaue Welle rollt durch Deutschland“ organisiert das Blatt in den nächsten Monaten passend zum Wahlkampf eine Reihe von „Volksfesten“ und verspricht: „Jeder wird danach von einem neuen Deutschland träumen: So schön kann Patriotismus sein“.
Die extremistischen Verflechtungen von AfD, Compact-Magazin und Jürgen Elsässer
Gründer und Chefredakteur dieses “rechtspopulistischen Magazins mit Hang zu Verschwörungstheorien” ist Jürgen Elsässer.
Eine Person, die zunächst antideutsche Positionen innerhalb der deutschen radikalen Linken vertrat. Während der globalen Finanzkrise 2008 drehte er sich um 180 Grad und wandte sich dem Rechtspopulismus und dem Rechtsextremismus zu. In seinen Publikationen vertritt Elsässer häufig antiamerikanische, antisemitische und verschwörungstheoretische Positionen. Zudem wurde er mehrfach wegen Volksverhetzung und Beleidigung verurteilt und 2020 vom Verfassungsschutz als “erwiesen extremistischer Publizist” eingestuft.
Zusammen mit Götz Kubitschek vom „Institut für Staatspolitik“, Hans-Thomas Tillschneider dem Landtagsabgeordneten der AfD Sachsen-Anhalt und dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider gründete Elsässer 2015 den als gesichert rechtsextrem und als verfassungsfeindlich eingestuften Verein “Ein Prozent e. V.”.
Die Initiative „Ein Prozent“ wird von zahlreichen AfD-Funktionär:innen und Mitgliedern in sozialen Medien unterstützt, unter anderem von Jens Maier, Maximilian Krah, Stefan Räpple, Hans Peter Stauch und Jan Wenzel Schmidt.
Seine Nähe zur politischen Rechten beschrieb Elsässer im Januar 2018 folgendermaßen: „Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, IB, AfD, Ein Prozent, Compact! Fünf Finger, alle kann man einzeln brechen, aber alle zusammen sind eine Faust!“
Dagegen verweist der Internetauftritt des nach eigenen Angaben reichweitenstärksten „Mediums der Opposition“ Compact auf eine „nicht parteigebundene“ Position.
Dass es sich bei dieser Angabe um nicht mehr als ein dürftiges Feigenblatt handelt, lässt auch ein Blick auf die Liste von Redner*innen der kommenden Compact-Veranstaltungen von “Die Blaue Welle” erkennen.
Mit dabei sind unter anderem:
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag
Oliver Kirchner, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
Birgit Bessin, Landesvorsitzende der AfD Brandenburg
Robert Sesselmann, Landrat Landkreis Sonneberg, AfD
Uwe Thrum, Abgeordneter des Thüringer Landtages, AfD
Petr Bystron, Mitglied des Deutschen Bundestags, AfD
Olga Petersen, Politikerin, AfD
Dr. Christina Baum, Mitglied des Deutschen Bundestags, AfD
Die Verflechtungen scheinen über ein politisches Interesse hinaus auch finanziellen Motiven zu unterliegen. Das Compact-Magazin bittet um Spenden für die Unterstützung der Wahlkampfveranstaltung der AfD. Damit liegt die Vermutung nahe, dass über das Geschäftskonto von Compact die Parteiinteressen und der Wahlkampf der AfD finanziert werden.
Dieses Vorgehen könne gegen Vorschriften zur Parteienfinanzierung verstoßen, meint die Linken-Politikerin Martina Renner: “Bundestagspräsidentin Bärbel Bas muss diese materielle und somit finanzielle Unterstützung für die AfD frühzeitig auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen.”
Das Grundgesetz verpflichtet die Parteien, über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu geben.
Die Rechenschaftspflicht zielt darauf ab, den Prozess der politischen Willensbildung durchschaubar zu machen und den Wähler:innen zu offenbaren, welche Gruppen, Verbände oder Privatpersonen möglicherweise durch Geldzuwendungen auf die Parteien einzuwirken versuchen.
Die Wähler:innen sollen über die Herkunft der ins Gewicht fallenden Spenden an politische Parteien korrekt und vollständig unterrichtet werden und die Möglichkeit haben, daraus Schlüsse zu ziehen.
Die AfD bei der Identitären Bewegung und dem Compact- Sommerfest
Ein wichtiger Termin dieser Wahlkampfveranstaltung wird das zehnjährige Jubiläum der Identitären Bewegung Deutschland am 1. Juni 2024 im Raum Chemnitz sein. Hier hat sich bereits der durch seine Deportationspläne bekannt gewordene Rechtsextremist Martin Sellner angekündigt.
Das “Highlight” wird dann das im August stattfindende Sommerfest, welches ausdrücklich in die „Wahlkampf-Tournee [sic]“ mit dem Namen „Die Blaue Welle rollt“ eingebunden ist. Die Veranstaltung wird auf dem Rittergut Nöbeditz in Sachsen-Anhalt stattfinden, welches sich im Besitz des rechtsextremen Politikers André Poggenburg befindet.
Der Gastgeber fiel in der Vergangenheit mit Beschimpfungen wie “Kümmelhändler” und “Kameltreiber” auf und erhielt dafür seine zweite Abmahnung vom AfD-Bundesvorstand. Zusätzlich wurde Poggenburg durch die Landtagsfraktion der AfD Sachsen-Anhalt das Vertrauen entzogen, woraufhin er am 8. März 2018 seinen Rücktritt als Fraktions- und Landesvorsitzender ankündigte. Am 10 Januar 2019 trat Poggenburg aus der AfD aus, um sich am selben Tag zum Vorsitzenden der neugegründeten Partei “Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland (ADPM)” wählen zu lassen.
Doch die Aufbruchstimmung währte nicht lange, bereits im August 2019 verließ er die Partei wieder. Weitere Versuche, einen Listenplatz bei seiner ehemaligen Partei AfD zu erhalten, scheiterten vergebens. Er steht anscheinend jedoch weiterhin im engen Kontakt zu Egbert Ermer, dem ursprünglichen Vorsitzenden des einzigen ADPM-Landesverbandes in Sachsen, denn dieser tritt mit der “Compact”-Partyband auf dem Sommerfest im Burgenlandkreis auf.
Die Tarnung rechtsextremer Ideologien hinter Volksfesten und Populismus
Generell sind Compact und die AfD bemüht, bei den kommenden “Volksfesten” einen bunten Mix aus spaßigem Entertainment und patriotischen Inhalten zu bieten. So locken die Veranstaltungen beispielsweise mit “Live-Musik, von Politikern und Aktivisten”, den “besten Künstlern aus dem patriotischen Spektrum”, “Leckereien zum Essen” [sic], sowie “Interviews mit betroffenen und betrogenen Bürgern”. Auch Verkaufs- und Infostände von rechten Verlagen und Organisationen sind geplant.
Offensichtlich wird versucht autoritäre, völkisch-nationalistische, homophobe, antifeministische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Botschaften mit Live-Musik und “Disko-Schwof” in einen Deckmantel von guter Laune und Zusammengehörigkeitsgefühl zu hüllen. Die Teilnahme an diesen Festen normalisiert auf perfide Art und Weise den Rechtsextremismus. Es wird eine Atmosphäre der Gemeinschaft erzeugt und die gemeinsame rechte Identität wird gestärkt.
Ein weiterer finanzieller Aspekt der deutschlandweiten Eventreihe, die überwiegend auf kostenfreien Eintritt setzt, ist für das Compact-Magazin spannend: Durch den Verkauf von Getränken und Speisen, Standmieten sowie Spenden können sie weitere Aktivitäten finanzieren und ihre Unabhängigkeit ausbauen.
In der Werbung distanziert sich das Compact-Magazin eindeutig von den sogenannten Alt-Parteien und deren Wahlkampfveranstaltungen.
Dabei wird hier jedoch auf einen der ältesten Tricks in der Politik zugegriffen. Panem et circenses – Brot und Spiele wurden bereits in der Antike eingesetzt, um Wähler*innen mit Massenunterhaltungen zur entsprechenden Stimmabgabe zu verleiten.
Rechtsextremisten müssen gestoppt werden, die blaue Welle gebrochen
Schwierige wirtschaftliche und politische Zeiten sorgten schon immer für ein Erstarken des rechten Randes, welcher mit vermeintlich einfachen und populistischen Lösungen den Weg in eine bessere Zukunft versprach. Das Ergebnis waren Krieg und Genozid. Wer also meint, die AfD aus Protest gegen die aktuelle Regierung zu wählen, nimmt damit die erneute Unterstützung einer rechten bis rechtsextremen Partei bewusst in Kauf.
Darüber hinaus wenden sich AfD-Wähler*innen mit ihrer Stimme gegen mehr als 20 Millionen migrantische Personen, die in diesem Land teils seit Jahrzehnten leben und ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft sind.
Es besteht die Notwendigkeit weiterhin offen darauf hinzuweisen, dass diese Verbrechen nicht noch einmal passieren dürfen. Deshalb müssen wir uns weiter gegen die Faschisten im Land zur Wehr setzen, mit allen demokratischen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.
Update vom 22.03.2024
Laut einem Bericht der taz hat die AfD mittlerweile das Magazin “Compact” mit einem Unterlassungsverlangen darauf hingewiesen, dass die Veranstaltungen als Wahlwerbung gewertet werden und verlangt, dass “Kandidaten und Funktionsträger“ sowie das Logo der Partei nicht auftauchen dürfen. Ihre eigenen „Kandidaten und Funktionsträger“ seien aufgefordert, nicht bei den Compact-Veranstaltungen aufzutreten.